Kurz vor Weihnachten war ich, zusammen mit 40 anderen Fachleuten, bei der 2x/Jahr von der BIG – Koordinierung (BIG e.V. – Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen) organisierten Fachkommission zu Häuslicher Gewalt — Gewalt ausgehend vom Partner, vom Ex oder von Familienangehörigen. Die beiden Themen, die diesmal auf der Agenda standen, waren „Täterorientierte Intervention“ und „Von häuslicher Gewalt betroffene geflüchtete Frauen“.
Es ging zunächst zum Problemaufriss zur Täterarbeit, bei dem die absurde und im Grunde schon fahrlässige Situation debattiert wurde, dass es in einer Stadt von bald 4 Millionen lediglich 2 (!) Einrichtungen gibt, die kostenlose Antigewalt-Trainings im HG-Bereich anbieten. Wobei im vergangenen Jahr nur die Volkssolidarität eine Finanzierung hatte, während das BZfG, das bei seinen HG-Angeboten angewiesen auf Mittel aus der Lotto-Stiftung ist, fast das gesamte Jahr 2017 keine HG-Gruppen anbieten konnte.
Dies ist ein überaus relevanter Einschnitt im Hilfesystem, denn Täterarbeit ist Opferschutz. Und gibt es keine Trainingsangebote, sondern nur ellenlange Wartelisten, dann ergibt sich dadurch eine zunehmend dramatische Situation für die von der Gewalt betroffenen Frauen* und ggf. Kinder. (*Es gibt auch von HG betroffene Männer, aber deutlich überwiegend betroffen sind Frauen.)
Ist die Zeitspanne zwischen Tat und Maßnahme sehr lang, dann sinkt die Verantwortungs- und Änderungsbereitschaft der gewalthandelnden Personen signifikant.
Das bedeutet, dass Männer, die bereit sind, Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen, die sich ändern wollen, zunehmend gezwungen sind, sich professionelle Hilfe zu holen, für die sie selbst zahlen müssen. Sicher, häusliche Gewalt gibt es Einkommensschicht übergreifend. Und lohnen tut es sich sowieso, bedenkt man, was für die Männer und ihre Familien auf dem Spiel steht. Doch zeitnahe (!) Hilfeangebote sollten unbedingt auch für Menschen aus prekären Wirtschaftsverhältnissen zugänglich sein und nicht nur für Selbstzahler.
Soziale Trainingskurse sind wirksam.
Eine Kollegin zitierte aus einer Studie, wonach in Befragungen 7% der Frauen angaben, dass es nach Teilnahme ihres Ex/Partners an einem Antigewalt-Training wieder zu körperlicher Gewalt durch ihn kam. Während es bei Geldstrafen ohne eine Auflage zu einem soziales Training 37% Rückfälle gab und diese dann oft auch noch schlimmer ausfielen.
Und wo wir schon beim Thema Nachhaltigkeit sind:
Gibt es anschließend an einen Kurs für einen Übergangszeitraum ein Stabilisierungs-Coaching, dann verringern sich die Rückfall-Quoten zunehmend.
Dies hat neben der eigenen Beobachtung aus meiner Trainer- & Coaching-Praxis auch eine externe Untersuchung ergeben, welche das Violence Prevention Network zur Evaluation seiner Antigewalt- & Kompetenz-Trainings (AKT) im Jugendstrafvollzug angeregt hat. Das VPN arbeitet nämlich als einziger Träger, soweit ich weiß, in Berlin standardmäßig mit intensiver Nachbetreuung für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, wenn sie aus der Haft entlassen sind, und sie vorher in der JVA am AKT teilgenommen haben. Die Wiederinhaftierungsquote aufgrund von Gewaltdelikten sinkt bei Teilnehmern an einem AKT inkl. Nachbetreuung signifikant.
Entsprechend ist es jedem gewalthandelnden Menschen zu wünschen und zu empfehlen, sowohl ein Antigewalt-Training, als auch ein anschließendes Stabilisierungscoaching zu machen, insbesondere im Kontext innerfamiliärer Gewalt.
Auf dem Plattenteller dreht sich seit knapp zwei Stunden The War Goes On — s/t (Mit Leuten von No Hope For The Kids) aus Kopenhagen — dark, pissed, disillusioned Punk. So desillusioniert bin ich bei der ganzen Gewalt-Thematik überhaupt nicht, aber vom Sound her passt das schon für den Moment.
Eine Zusammenfassung des zweiten Schwerpunkt-Themas folgt hier in Kürze.